Seit dem Jahr 1396 steht auf dem Nürnberger Hauptmarkt – damals hieß er noch Marktplatz – der weltberühmte Schöne Brunnen. Spätestens seit 1668 hätte dieses gotische Kleinod einen jüngeren Bruder bekommen sollen. Der römisch-deutsche Kaiser Ferdinand III. wollte dort als Mahnmal für den Frieden nach dem Dreißigjährigen Krieg einen prächtigen Brunnen mit Neptun-Statue errichtet lassen. Der neue Brunnen wurde zwar entworfen und gebaut, jedoch nicht auf dem Platz installiert. Für diese damals größte barocke Brunnenanlage nördlich der Alpen begann hingegen eine lange Odyssee.
Text: Till Ochner Titelbild: Stadt Nürnberg/Ralf Schedlbauer
Während sich im oberfränkischen Bamberg ein ebenfalls barocker Brunnen mit Neptungestalt – dort heißt er wegen des auffälligen Dreizacks einfach „Gabelmann“ (im Dialekt „Goblmoo“) – seit Generationen zum beliebten Treffpunkt inmitten der Altstadt-Fußgängerzone entwickelte, war dieses Glück dem Nürnberger Neptunbrunnen verwehrt. Angebliche Probleme mit der Wasserversorgung verhinderten ein Aufstellen der Brunnenanlage. Die Stadt war nach dem Krieg in Wahrheit so knapp bei Kasse, dass der Brunnen wohl aus finanziellen Gründen 1797 nach Sankt Petersburg verkauft wurde. Die Figuren kamen in Kisten verpackt nach Lübeck und von dort in die Sommerresidenz von Zar Paul dem Ersten.
Kunst weicht politischer Ideologie
Rund einhundert Jahre später bereute man in Nürnberg jedoch den Verkauf dieses einmaligen Kunstwerkes. Durch die Industrialisierung kam die Frankenmetropole wieder zu Wohlstand. Die Gründerzeit war durch viele Erfindungen sowie Firmengründungen geprägt, die Stadt im Aufwind. So fragte man in Russland nach, ob man den Brunnen zurückkaufen könnte, was auf Ablehnung stieß. Schließlich durften 1896 Gipsabdrücke angefertigt werden, mit denen eine Brunnen-Replik dann in Nürnberg gegossen werden konnte. Stifter und wichtiger Kunst-Mäzen war der Kaufmann Ludwig Gerngros, der den zweiten Brunnen 1902 auf dem Hauptmarkt installieren ließ. Lange währte die Freude allerdings nicht. Die Nationalsozialisten nutzen Nürnberg immer mehr für ihre Inszenierungen und Aufmärsche im Zusammenhang mit den Reichsparteitagen. Außerdem war Gerngros jüdischer Abstammung, und so wurde 1933 die Stiftertafel entfernt. Ein Jahr später baute man den Brunnen dann auf Betreiben von Julius Streicher und gegen den Widerstand des Nürnberger Oberbürgermeisters Willy Liebel ganz ab.
Der Neptunbrunnen mit Regenbogen.
Bild: Thomas Mummert
Zwei Neptune in Nürnberg
„Drei Jahre später kam der Brunnen an den Schlageterplatz (heute Willy-Brandt-Platz), just vor das Gauleiterhaus. Dort überstand er den Krieg weitgehend unbeschadet. Zwischenzeitlich hatte Nürnberg beide Brunnen, denn der erste Neptunbrunnen wurde im September 1941 von der Wehrmacht als Kriegsbeute in Peterhof abgebaut und ‚heim ins Reich‘ gebracht. Er überlebte die Bombenangriffe eingelagert im Bunker am Paniersplatz. Die Alliierten gaben den Brunnen 1947 dann an die Sowjetunion zurück“, berichtet Thomas Mummert, der sich als engagierter Altstadtfreund unter anderem intensiv mit dem Neptunbrunnen beschäftigt und davon sogar kleine käufliche Zinnfiguren herstellen ließ. Und er berichtet weiter: „Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende, denn der Neptunbrunnen störte wieder einmal. Die Stadt plante am Willy-Brandt-Platz einen Busbahnhof, und der Brunnen wurde 1963 in den Nürnberger Stadtpark verbannt. Zwar gab es 1976 einen Vorstoß der Nürnberger Altstadtfreunde, die Brunnenanlage wieder zurück an den Hauptmarkt – gemäß den Statuten des Mäzens – zu bringen, aber die Stadt lehnte ab. Und so feiert der Neptunbrunnen gerade 60 Jahre am Standort Stadtpark.“