In der Eingangshalle des ehemaligen Altstädter Rathaus, in dem das Museum seit 1964 zu Hause ist, erwarten uns am Check-in-Schalter bereits Stephanie Seubold und Andreas Thum, um uns durch die Sonderausstellung „Vielfraß meets Butterkeks“ zu führen. Kern der Ausstellung sind Wanderwörter. Wörter, die seit Jahrtausenden zwischen den Sprachen umherwandern. Eines haben alle Wanderwörter gemeinsam: Sie sind sprachliche Zeugen historischer Entwicklungen und kulturellen Austauschs. Und sie alle haben eine eigene Geschichte zu erzählen.
Zeitzeugen und Geschichtenerzähler
So auch das Wort Keks, dessen direkter Vorfahre das englische „cakes”, also „Kuchen”, ist. Der Germanist Thum erzählt: „Der Hannoveraner Unternehmer Hermann Bahlsen hatte das landestypische Gebäck in England kennengelernt und wollte damit auch den deutschen Markt erobern. 1891 taufte er sein Produkt auf den Namen „Leibniz Butter-Cakes”. Da die meisten Kunden an der Aussprache des englischen Begriffs scheiterten und daraus ein weniger schmeichelhaftes [ˈkakə] wurde, passte Bahlsen die Schreibweise schließlich dem Deutschen an, um Missverständnisse zu vermeiden. Der Keks war geboren!“
Im Verlauf der Geschichte gab es immer wieder Bewegungen, die auf die Reinheit der Sprachen pochten oder welche, die sich für die Optimierung durch Fremdwörter einsetzten. So erklärt uns Thum, dass gerade in der Barockzeit die „Reinigung“ des Deutschen von dialektalen und umgangssprachlichen Einflüssen zur Sprachpflege zählte. Dazu gehörte es auch, den übermäßigen Fremdwörtergebrauch zu minimieren. So wurde aus dem „Moment“ der „Augenblick“, aus der „Bibliothek“ die „Bücherei“ und aus dem „Dialekt“ die „Mundart“.
Nun könnte man meinen, dass der Nationalsozialismus ähnliche Ziele wie der „Pegenesische Blumenorden“ in Nürnberg (1644) oder die „Fruchtbringende Gesellschaft in Köthen“ (1617) in der Barockzeit hatte. Aber weit gefehlt. Offiziell wurde unter der NSDAP die „Fremdwortjagd“ aufgegeben. Der sogenannte Führererlass vom 19.11.1940 sprach sich deutlich gegen „gewaltsame Eindeutschungen“ aus. Denn, wenn wir ehrlich sind, sind Worte wie „Vernichtungslager“ dermaßen entlarvend und verstörend, dass das Synonym „Konzentrationslager“ dem Regime viel mehr in die Hände spielte.
Sprache als Generationenfrage
Sprache hat also nicht immer das Ziel, zu konkretisieren oder zu verdeutlichen. Wie Sigmund Freud schon korrekt sagte: „Es ist unmöglich die Menschen zu kennen, ohne die Macht der Worte zu kennen“.
Das gilt auch nach über 100 Jahren noch und betrifft die unterschiedlichsten Generationen. Um sich von der Erwachsenenwelt abzugrenzen, entwickeln Jugendliche schon fast eine Art Geheimsprache. Viele Jugendworte sind so abstrakt, dass den älteren Generationen deren Bedeutung ein völliges Rätsel ist. Und genau das wird im nächsten Ausstellungsraum visualisiert. Hier ist eine Art Mobile installiert, an dem jeder sein persönliches „Jugendwort“ anbringen kann. Zu sehen sind Wörter wie YOLO, Swag, dufte oder cringe.
Das Stadtmuseum Erlangen ließ sich Rahmen im der Sonderausstellung „Vielfraß meets Butterkeks“ zudem etwas ganz Besonderes für die jungen Entdecker ab acht Jahren einfallen: Auf eigene Faust können Kinder mit einem kostenlosen Reise(s)pass die Welt der Sprache erkunden und neue Lieblingswörter entdecken. Während der Erkundungstour durch die Ausstellung, die sich über zwei Etagen erstreckt, erwarten die Kinder Ausmalbilder, Wortsuchspiele und Quizfragen. Jede gelöste Aufgabe wird mit einem Stempel in den Reise(s)pass belohnt. Bei Vorlage des ausgefüllten Heftes am Check-In Schalter gibt es abschließend ein kleines Reisesouvenir.
Eine Reise die nie endet
Worte gehen also auf Reise und wir alle sind deren Begleiter. Jeden einzelnen Tag, zu jeder Zeit. Wir gestalten die Reiseroute. Umso wichtiger ist es, ein gesundes Bewusstsein für unsere Sprache zu entwickeln. Einen Grundstein hierfür legt die Ausstellung „Vielfraß meets Butterkeks“.
Auch wenn die Reise der Worte so schnell nicht endet, so neigt sich unsere jedoch dem Ende zu. Unsere letzte Station ist, wie angekündigt, die wenige Schritte vom Erlanger Stadtmuseum entfernte Bergkirchweih. Zum Abschluss des Tages gibt es für uns „situla“ (lateinisch: Eimer zum Wasserschöpfen) oder wie es im südlichen Bayern heißt: a Seidla (Biergefäß mit 0,5l Inhalt).
Sonderausstellungen
Vielfraß meets Butterkeks:
3. April bis 25. September 2022
Aber ich lebe:
16. Juni bis 28. August 2022