Text: Daniel Wickel Bilder: Magdalena Kick
Unser Gastgeber Henning Riecken, seit März letzten Jahres Geschäftsführer in Nürnberg, ist bereits im lockeren Plausch mit Jessica Könnecke, Gründerin von „Mit Ecken und Kanten“. Knapp vier Jahre schon betreibt die 28-jährige erfolgreich einen Onlineshop, in dem B-Ware verkauft wird, die nicht perfekt ist, dafür aber fair und nachhaltig gefertigt. „Why so perfect, honey?“ ist der Slogan ihres Shops, mit dem sie zehn Mitarbeiter:innen nicht nur eine Arbeit sondern ein Zuhause bietet. Ein Zuhause bietet auch Eberhard Wigner, Geschäftsführer des gleichnamigen Traditionshauses aus dem Fürther Landkreis seinem gut 40-köpfigen Team vom Concept-Store „erlebe wigner!“, der Mode und Lifestyle seit nunmehr 20 Jahren im Gewerbegebiet von Zirndorf geschickt verwebt. Und Honig gibt es seit neuestem auch bei dem Familienbetrieb, als stolze Bienenpaten mit hauseigenem Bienenstock.
Die vierte im Bunde ist Madeleine Farnbacher, Inhaberin vom „LU Concept Store“ in Lauf an der Pegnitz. Direkt am Marktplatz führt sie die ursprünglich nur als Pop-Up-Store geplante feine Boutique mit viel Herzblut und Leidenschaft und versorgt das Nürnberger Land mit den neuesten Modekreationen. Nebenbei engagiert sich sie sich mit ihrem Label „MALA & MAD“ mit kunterbunten Schals und Künstlern für soziale Projekte. „Bei uns in Lauf ist es ein bisschen wie in Italien. Die Menschen flanieren über den Marktplatz, genießen ihren Kaffee in der Sonne und kommen zu uns für ihr Einkaufserlebnis“, erzählt Farnbacher begeistert von ihrem Laden in der Laufer Innenstadt, den sie seit 2018 betreibt. „Corona hat die Beziehung zu meinen Kundinnen noch enger werden lassen. Die persönliche Betreuung in den letzten Monaten hat stark zugenommen, und es ist einfach etwas anderes, sich persönlich auszutauschen, als nur online zu bestellen“.
Anfänge
„Bei uns ist der Kunde eher Gast. Wir transportieren ein Lebensgefühl, unabhängig vom Alter oder Geschlecht soll das Erlebnis im Vordergrund stehen. Stimmig vom Eintreten bis zum Verlassen unseres Hauses“, erzählt Wigner und schmunzelt, als er erzählt, dass sein Bankberater ihn ausgelacht hatte, als er den Entschluss fasste, aus der Zirndorfer Innenstadt ins Gewerbegebiet zu ziehen. „Wir konnten uns platzmäßig nicht weiterentwickeln und waren zu Beginn die ersten, die im Fachmarktzentrum einen Platz einnahmen“, berichtet er über die Anfänge um die Jahrtausendwende.
Auch das Nürnberger Haus von Breuninger, seit 2003 in der Karolinenstraße zu finden, hat sich nach einer umfassenden Neugestaltung und Modernisierung im vergangenen Herbst für die Zukunft gewappnet. „Für uns ist die Größe des Hauses wichtig, doch werden die Flächen künftig sicher anders aufgeteilt. Wir möchten Platz schaffen für Manufakturen, die einen Raum bespielen und unseren Kunden temporär etwas Besonderes bieten, sei es nun der Besuch einer Chesi Messerschleiferei oder Kooperationen mit vitra, die faszinierende Hintergründe zu den Möbelklassikern vermitteln“, erläutert Riecken. „Wir wollen Gastgeber sein und kein reines Modehaus. Gerade hier in Nordbayern sind der persönliche Kontakt und die Atmosphäre immens wichtig. Die Menschen wollen nicht nur anonym Luxusgüter kaufen“. Alle vier sind der gleichen Meinung, dass es nicht darum geht, ein bestimmtes Produkt zu verkaufen, sondern ein Gefühl und eine Geschichte dahinter zu transportieren.
Die Zusammenarbeit sollte generell besser werden zwischen den Institutionen, jedoch wiehert oft noch der Amtsschimmel. „Es gibt viele tolle Ansätze in der Stadt. Digitale Quartiersvorstellungen, Begrünung vom Lorenzer Platz, Rathausart oder Gastrokonzepte in der Adlerstraße“, meint Riecken. „Viele Städte beneiden uns dafür, dass ein Bewusstsein für Innenstadtmarketing vorhanden ist“. Wiederum müssen die Mieten bezahlbar bleiben, neue Kooperationen entstehen und die Gründerszene gestärkt werden. „Vor allem die Kreativen waren die ersten, die vernachlässigt wurden in der Krise, obwohl sie das Leben in die Stadt bringen“, gibt Könnecke zu Bedenken.
Veränderungen
Auch das Thema der Nachhaltigkeit findet mehr und mehr Einzug in das Einkaufsverhalten. „Ich arbeite aus der Überzeugung heraus, unser Konsumverhalten muss sich mittelfristig ändern. Viele meiner Mitarbeiter:innen sind bewusst aus Unternehmen raus, wurden dort nicht wahrgenommen, konnten sich nicht einbringen, und bei uns spürt das Team – du kannst tatsächlich etwas verändern“, berichtet Könnecke. Jeden Monat aufs Neue beschäftigt sich die Jungunternehmerin gemeinsam mit ihren Kolleg:innen mit nachhaltigen Themen wie nachhaltiges Reisen oder politischer Aktivismus, und bespielt hierbei die sozialen Medien und lässt die eigene Community am Wirken teilhaben. Im Breuninger wird nächstes Jahr eine Luxus-Secondhand-Plattform eingerichtet, und auch Madeleine Farnbacher findet das toll. „Das entspricht dem Zeitgeist. Lauf ist dafür allerdings zu klein. Nachher trägst du die gebrauchte Jacke deiner Nachbarin, das sollte nicht passieren“, lacht sie.
Und vor allem darf es nicht mehr nur um den Preis gehen. „Nicht noch mehr weiße Pullover. Nicht noch mehr Sonderangebote. Wir müssen dahin kommen, dass man etwas länger trägt“, so Riecken. Und Eberhard Wigner ergänzt: „Kleidung wird wieder bewusster gekauft werden. Dann liebt man das Stück und erinnert sich, wenn es irgendwann kaputt ist, wo es gekauft worden ist und geht dort wieder hin.“ Es ist zu spüren, in der Bekleidungsbranche geht es um Wertschätzung, Nachhaltigkeit, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und persönliches Engagement.
Nach dem gut einstündigen Gespräch zeigt uns Henning Riecken noch die wunderschöne Dachterrasse auf dem Dach des Hauses. Die leichte Wolkendecke gibt einen Blick auf die Lorenzkirche frei. Die Stimmung ist locker, man schätzt sich, Könnecke macht noch eine Instagramstory für die gut 80.000 Abonnent:innen bei Instagram. Einziger Wermutstropfen: Wir haben vergessen, die sündigen Kalorienbomben aus dem Eduard’s zu probieren. Dann eben beim nächsten Mal.