Interview: Daniel Wickel Bilder: Grischa Jäger
Excudit: Wie würdest du die Veränderung der Kommunikation in den letzten Monaten beschreiben?
Michael Leibrecht: Als Treiber der Virtualisierung, der Digitalisierung und der Vernetzung. Werbung zu schalten war noch nie so günstig, viele kleine Betriebe haben die Berührungsängste zu „neuen Sachen“ aus der Not heraus abgelegt. Die Medienhäuser waren sehr kreativ und haben Plattformen für Gutscheine aus dem Boden gestampft. Webshops schießen wie Pilze aus dem Boden, viele Systemanbieter machten den Zugang und die Erstellung so günstig und einfach wie noch nie. Hilfsbereitschaft soweit das Auge reicht. Crowdfunding etwa ermöglicht die Umsetzung toller neuer Ideen. Die Renaissance der Kreativen steht an und viele Unternehmen werden gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.
Excudit: Was können wir neues lernen, um die richtigen Skills und Werkzeuge für diese spezielle Zeit an der Hand zu haben?
Michael Leibrecht: Die „Google Zukunftswerkstatt“ sollte sich jeder anschauen. Hier werden Grundlagen für die digitale Kommunikation vermittelt. Instagram ist mein persönlicher Lieblingskanal, hier ist die Stimmung meistens positiv und neben dem WhatsApp- oder dem Facebook-Status schaue ich am liebsten die Instagram Storys meiner Follower. WhatsApp Business mit der Festnetznummer finde ich für viele kleine Betriebe sinnvoll. Und wer eine junge Zielgruppe ansprechen möchte, sollte sich unbedingt TikTok ansehen. Hier ist „Herr Anwalt“ mein Lieblingsbeispiel. Die Kinder und Jugendlichen werden sich später im Beruf an sein Infotainment auf TikTok erinnern und seine Kanzlei profitiert schon heute davon.
Excudit: Du hast die Domain „facebook.de“ besessen und vor einigen Jahren verkauft. Wo sind die ganzen Millionen hin?
Michael Leibrecht: 1993/94 war die Zeit der Domains und ich habe damals neben facebook.de tatsächlich einige erworben. Aber mehr als ein kleiner fünfstelliger Betrag war es dann doch nicht. Aber es zeigt mir sei mutig, sei kreativ, einfach machen.
Excudit: Welche Bedürfnisse nimmst du in deiner Branche momentan wahr?
Michael Leibrecht: Die größte Herausforderung bei der Digitalisierung, neben der Schnittstelle Mensch, ist die funktionierende Vernetzung und Verwendung von Daten. Die sinnvolle Nutzung exponentiell wachsender, digitaler Information ist eine Aufgabe die wir in Europa lösen sollten. Aktuell wird „Big Data“ von USA und China dominiert. Als XING Ambassador und Fan von Datenspeicherung auf deutschen Webservern bin ich optimistisch, dass die Kommunikations- und Informationsbranche in Deutschland auf einem guten Weg ist. Das Nürnberg Digital Festival und andere lokale Netzwerke und Hubs machen Hoffnung.
Junge Menschen brauchen an erster Stelle ein offenes WLAN, eine schnelle und stabile Verbindung und Strom. Influencer-Marketing gewinnt zunehmend an Bedeutung. Jeder wird zum Sender. Printmedien haben den Charme ohne Strom zu funktionieren. Ich mag den Kontrast, deshalb knistert bei mir die Zeitung wieder analog am Frühstückstisch. Und Magazine wie dieses hier glänzen durch Reichweite bei Menschen die auch gerne mal „offline“ sind.
Excudit: Und was ist dann für dich persönlich wichtig, abseits der digitalen Möglichkeiten?
Michael Leibrecht: In den vergangenen 15 Jahren war der Fokus ganz klar meine Familie. Ich wollte nie zu der Sorte Selbstständiger gehören die sagen „hätte ich mir doch mehr Zeit für meine Kinder genommen“. Die Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern ist das wertvollste für mich. Dankbar bin ich meinen wunderbaren Mitarbeitern, die meine Kollegen sind! Mit dem Spruch „Ich Chef du Nix“ kann ich nichts anfangen. Die Chefrolle sollte stets wechseln zu der Person die von einer Sache die meiste Ahnung hat.
Excudit: Du hast in einem Interview gesagt „Netzwerken heißt für mich: Gestalten mit Menschen.“ Was ist für dich die nächste wichtige Sache, die es zu gestalten gilt?
Michael Leibrecht: Ich glaube an den „Hommo Collaborans“ – den kooperierenden Menschen. Er kennt kein „ich gewinne, du verlierst“, ist voller Vertrauen und hat ein hohes Maß an Toleranz. Wir sind fühlende Wesen. Wir sind nicht „zu viele“ und es gibt auch genug Ressourcen für eine lebenswerte Zukunft. Mein Optimismus ist grenzenlos. Es gibt jeden Tag so viel Grund zur Freude und zur Kooperation – ich mag den Begriff „Zukunftsdesigner“. Für mich. Für Unternehmer. Für eine lebenswerte Gesellschaft.