Text: Tibor Baumann Bild: Hilda Weges/istock.com
Eine Antwort darauf ist das Tiny-House-Movement. Dass sich auf einen kleinen und womöglich mobilen Wohnraum beschränken, ist in verschiedenen Zusammenhängen, wie der Outdoor- oder Wagenburgszene kein Novum, als so betitelte Bewegung aber erst in den 80ern in den USA aufgekommen. Es gibt bisher keine offizielle Definition des Tiny-Houses, ist aber irgendwo zwischen 25 und 40 qm anzusiedeln, danach kommen eher die Small-Houses. Es geht um den Gedanken der gesunden Verkleinerung und um ökologische Überlegungen. Für manch einen kommen aber auch ökonomische hinzu, etwa um mit wenig Geld im Alter doch noch eigene vier Wände zu besitzen. Die unterschiedlichen Überlegungen zum Tiny-House und dem „Gesundschrumpfen“ sorgen für eine vielfältige Szene.
Auch der Lehrer Markus Reichel aus Erlangen und seine Lebensgefährtin, die ebenfalls Lehrerin ist, träumen vom Tiny-House. „Wir sind begeisterte VW-Bus-Camper, lieben den reduzierten Raum mit essentieller Ausstattung. Wir wissen aber natürlich auch, dass zwischen drei Wochen Ferien im Bus und Alltag auf vielleicht 30 qm ein Riesenunterschied liegt. Mir geht es darum, einen geschützten Raum zu haben, den ich selbst gestalten kann“ sagt Reichel. Wichtig sind ihm aber auch gesellschaftliche Überlegungen: „Weniger Kram ist gleich mehr Zeit und Awareness – so die Überlegung. Weniger haben und weniger wollen. Vielleicht noch das einzige Mittel, um den aus seiner Anstalt entflohenen Kapitalismus zumindest ins Bein zu schießen. Wenn allerdings alltägliche Probleme anklopfen, spielt es wohl keine Rolle, ob man sich vorher von ungenutzten Küchengeräten getrennt hat. Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.“
In Franken sind es aber nicht nur einzelne, die sich diesen neuen Überlegungen zu Wohnen und Leben widmen, sondern ganze Vereine. „Ich denke, dass der erste Beweggrund für einen Zusammenschluss in einem Verein in der Grundstücksfindung und -finanzierung begründet liegt“ sagt Reichel. „Aber es ist auch praktisch und naheliegend, Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und die zugehörigen Räume, die man nur selten braucht – ich denke da z.B. an eine Badewanne -, auch nur einmal anzuschaffen und zu teilen. Einige Siedlungen warten da allerdings auch mit Sozialutopien auf, die dann wohl Geschmacksache sind“ so Reichel.
Zusammenschlüsse zur Stärkung der Bewegung
Vor der Sozialutopie steht erst einmal organisatorische Arbeit, um Möglichkeiten zu schaffen. Das zeigt sich nicht nur in umgesetzten Vorhaben, wie dem der Tiny-House-Siedlung im Fichtelgebirge, sondern auch in Zusammenschlüssen wie dem „Tiny House Franken e.V.“, der sich im Mai 2019 aus Stammtischen gegründet hat. „Wir haben mit 18 Mitgliedern begonnen, mittlerweile sind wir über 60“ erzählt Gordana Gorup. Sie ist die 1. Vorstandsvorsitzende des Vereins und weiß aus ihrer Arbeit als Projektmanagerin für internationale Unternehmen und ihrem jetzigen Beruf als Mediatorin, um die Handhabe komplexer Themen. Und sie ist ein Beispiel für die obere Mittelschicht, die sich für das Tiny-House-Movement interessiert.
Der Verein arbeitet gemeinnützig um die Bewegung gesellschaftlich möglich zu machen, aber auch wirtschaftlich Unternehmungen ins Leben zu rufen. „Wir wollen auf Politik und Wirtschaft einwirken um solche Kleinwohnformen möglich zu machen“ erklärt Gorup. Überzeugungsarbeit ist notwendig, es geht um Bauflächen und um notwendige Änderungen der Gesetzeslage in Bau- und Verkehrsordnung damit die Idee des mobilen Tiny-House überhaupt erst möglich wird.
Der Gedanke der Community ist dem Verein aber auch wichtig. „Wir merken, dass das Interesse der Menschen da ist, gemeinsam mit so wenig wie möglich und so viel wie nötig zu leben. Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, minimaler ökologischer Fußabdruck, alles Themen, die gesellschaftlich relevant sind“ sagt Gorup. Dabei geht es aber nicht um die alternativen Konzepte von Wagenburgen oder anderen auch politisch motivierten, alternativen Lebensgemeinschaften, von denen man sich distanziert wissen möchte: „Ich denke, dass die Gesellschaft vor so etwas Bedenken hat. Für die Tiny-Villages geht es um ein gewisses Niveau, einen gewissen Standard“ so die Vorsitzende.
In den letzten Jahren hat sich natürlich auch ein breites Angebot von Herstellern auf dem Markt platziert. Die Standards und Ziele der Tiny-House-Hersteller sind unterschiedlich angelegt – ebenso wie die Preise. Das steht natürlich der „Do-it-yourself“-Idee opponent gegenüber. Fraglich ist, ob die Bewegung eine Alternative für eine große Zahl an Menschen bietet. „Die Flächenfrage ist die Achillessehne der ganzen Idee“ sagt Reichel, „zum Platzsparen muss man schließlich nach oben bauen. Wenn jeder, der sich eigentlich eine steinerne Stadtvilla auf 2000 qm Grund stellen würde, ein Tiny House baute, wäre mehr Platz für alle.“
Wer sich ein solches Leben vorstellen möchte und zumindest den Test wagen will, kann das heute bereits tun, so zum Beispiel in der Siedlung im Fichtelgebirge oder kann sich im „Tiny House Franken e.V.“ einbringen, der momentan in die Abschlussphase eines Siedlungsprojektes tritt.
Wo die Reise hingeht, mit dem großen Traum vom Leben, das auf das Wesentliche beschränkt ist, muss sich erst noch zeigen. Klar ist heute schon, dass es ein Bedürfnis gibt, das derzeit wächst und ganz im Zeichen der Herausforderungen unserer Zeit steht. Das befeuert natürlich auch wirtschaftlich orientierte Ideen. Wichtig wird sein, den inhaltlichen Ideen weiterhin ihren Platz einzuräumen, gerade dann, wenn wir insgesamt immer weniger davon haben.