Zugegeben, als Autofahrer bin ich eher der Old-School-Typ: Bei uns steht nach wie vor ein Verbrenner vor der Tür. Völliges Neuland durfte ich daher kürzlich betreten mit meinem ersten Besuch im „Audi charging hub“, der ultramodernen Schnellladestation mit schickem Lounge-Bereich am Nürnberger Messegelände. Für die einen Betrachter mag dieses lichtdurchflutete Gebäude gleich neben der Frankenhalle nur eine Art futuristische Tankstelle sein, für andere ein angesagtes Café mit Kommunikationsmehrwert.
Text: Till Ochner Bilder: Magdalena Kick
Dieses Projekt am Pilotstandort Nürnberg ist Teil der Mobilitätsoffensive von Audi in Kooperation mit der Nürnberger Messe-Group, also der Stadt Nürnberg. Es ist die erste innovative Schnellladestation für E-Fahrzeuge dieser Art in Deutschland und Europa und dadurch natürlich auch prädestiniert als Location für eine kleine Gesprächsrunde mit vier Fachleuten aus der regionalen Automobilbranche zum Thema „E-Mobilität als Zeitgeist“.
Eingeladen hatten wir Marco Schultheiß, Geschäftsführer von „Scharf Automobile“, traditionsreicher Vollsortimenter rund um Opel und Hyundai mit den Standorten Leyher Straße sowie Neuburger Straße, der neuen Zentrale in Nürnberg-Eibach. Zur Gruppe gehören außerdem Opel-Betriebe in Lauf und Herzogenaurach. Der Einladung gefolgt ist auch Jochen Scharf, Geschäftsführender Gesellschafter der „Feser Scharf GmbH“, die die Importmarken der Feser-Graf Gruppe Jaguar Land Rover, Dacia, Renault und Kia vertritt, und Inhaber der „Jochen Scharf Gruppe“. Für „Renault Sonnleitner Germany“ kam Geschäftsführer Kurt Schiffner, der auch von Erfahrungen aus Österreich berichten konnte. Sonnleitner ist immerhin größter Renault-, Nissan-, Alpine- und Dacia-Händler in der Alpenrepublik. Mit Wirtschaftsberater Klaus Heinrich, Geschäftsführender Gesellschafter bei „Schaffer & Collegen“ und Spezialist in der Beratung u.a. bei Digitalisierung, Geschäftsentwicklung und Strategie in der Automobilbranche war die Expertenrunde komplett.
Wende in der allgemeinen Mobilität?
Dass die Elektromobilität weltweit als Schlüssel für eine klimafreundliche Mobilität und Innovation steht, ist unbestritten. Voraussetzung ist natürlich eine regenerative und umweltfreundliche Stromerzeugung. Auch wenn derzeit rund 80 verschiedene Modelle von E-Fahrzeugen allein deutscher Hersteller auf dem Markt sind und dafür etwa 50.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte zur Verfügung stehen, ist der Verkauf der Fahrzeuge hierzulande im Vergleich zu manch anderem Staat noch eher schleppend. Doch was ist die Ursache? Gilt die E-Mobilität bereits als echte Wende in der allgemeinen Mobilität oder ist sie nur eine Zwischenlösung?
Dazu meint Marco Schultheiß: „Grundsätzlich sehe ich das Ganze wohl als Übergangslösung. Auch wenn der Staat den Kauf finanziell stark fördert, haben wir in Deutschland eine langsame Zulassung. Trotz erfolgreicher Vorreiter wie Tesla wird sich kaum die Masse Elektrofahrzeuge zulegen – vielleicht als Zweit- oder Drittfahrzeug, nicht als Familienauto. Wer weiß schon, was in drei Jahren ist. Letzte Woche bin ich zum Beispiel ein Wasserstoff-Auto gefahren, schnell getankt und dann 600 Kilometer weit damit gekommen. Einfach optimal.“
Der Audi charging hub ist ein Pilotprojekt am Standort Nürnberg von Audi und der Nürnberg Messe.
Bild: AUDI AG
Ganz ähnlich sieht auch Jochen Scharf die Mobilität in etwa zehn Jahren: „Auf Dauer wird niemand ewig darauf warten wollen, bis die Akkus geladen sind. Bei Wasserstoff geht das alles viel schneller. Voraussetzung ist aber die nachhaltige Erzeugung der Energie. Da bietet sich langfristig beispielsweise das sonnerreiche Afrika an, um die bei der Wasserstoffherstellung erforderliche Elektrizität zu gewinnen.“
Für Klaus Heinrich ist eines klar: „Um die gesteckten Klimaziele kurzfristig erreichen zu können, geht an der Elektromobilität wohl kein Weg vorbei. Dann aber werden die Automobilkonzerne, bislang verwöhnt mit ihren Verbrennern, auch mit anderen Mitspielern zu tun haben. Mit IT-Spezialisten oder Energie-Konzernen, die mit auf den Zug aufspringen. Letztendlich werden wir nicht um eine Mehrgleisigkeit der Energie fürs Fahrzeug herumkommen.“ Chancen für E-Mobilität erkennt Kurt Schiffner von Sonnleitner Germany in der Kurzstrecke: „Gerade im urbanen Bereich müssen viele Leute eben nur fünf oder zehn Kilometer weit fahren. Für Eltern mit ihren Kindern, fürs Einkaufen. Für die reicht ein Elektro-Fahrzeug. Ebenso für die ganzen Lieferdienste im Nahbereich. Interessant ist auch das kostenlose E-Tanken für Supermarkt-Kunden oder für Firmenangehörige, die in ihrem Betrieb gratis tanken können.“
Infrastruktur und Lademöglichkeiten
Absolut einig ist sich das Expertenteam beim Thema ‚Infrastruktur und Lademöglichkeit‘. Mindestens dreimal eine Ladepause von jeweils einer halben Stunde einlegen, nur um von uns aus an den Gardasee zu kommen – das ist keine verlockende Option. „Und auch Geschäftsleute müssen bei längeren Fahrten ganz genau prüfen, wo sie wann, wie häufig und wie lange unterwegs laden müssen – das nervt!“, meint Klaus Heinrich. Kurt Schiffner: „Oder wenn Privatleute nach dem Laden erst mal eine Kabeltrommel mehrere Etagen in die Wohnung hochtragen müssen – schon daran scheitert’s.“ Auch wenn die Politik versprochen hat, 300 Millionen in Lademöglichkeiten zu investieren, die Infrastruktur lässt in Deutschland noch sehr zu wünschen übrig. „Und woher kommt der Strom überhaupt, und ist er schon grün?“, fragt Heinrich.
Aber warum werden dann derzeit überhaupt schon Elektroautos gekauft? Marco Schultheiß weiß: „Wer bei uns ein Elektroauto kauft, ist nicht der Standardkunde. Für viele ist es eine Gewissensfrage, sicherlich spielt aber die Steuerersparnis eine große Rolle.“ Neben der zehnjährigen Steuerbefreiung und den staatlichen Umweltboni bis zu 9.000 Euro beim Kauf locken inzwischen auch die hohen Gewinnspannen beim Verkauf gebrauchter Stromer ins Ausland. Hinzu kommt noch die Möglichkeit, eingespartes CO2 in Form von Emissionszertifikaten zu verkaufen und damit nochmals Geld zu kassieren.
Positiv für die technische Zukunft unseres Landes, das bei der Digitalisierung noch etliche Defizite hat, ist die weitere Entwicklung der E-Mobilität aber allemal. „Wir werden sehr viel mehr Digitalisierung im Auto erleben. Das Auto wird ebenso sehr viel mehr können als es heute kann“, meint Schiffner. Vor allem, wenn der „Computer auf Rädern“ das autonome Fahren schafft. Da geht es ohne Rundum-Elektrizität nicht. „Hilfreich sind auch reparable und leicht austauschbare Akkus wie wir sie gerade entwickelt haben“, ergänzt der gebürtige Österreicher. Natürlich durfte in der Gesprächsrunde auch das leidige Thema „Corona“ nicht ausgespart werden. Abgesehen von erschwerten Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Autohäusern mussten unsere Gäste von keinen großen Einschnitten berichten. Das Kundenverhalten zeigte beim Weg ins Homeoffice allerdings eine gewisse Zurückhaltung, da einfach weniger gefahren werden musste. Darüber hinaus bescherte diese neue Arbeitsweise mit freierer Einteilung mehr freigestaltete Zeit und damit mehr Lebensqualität – so die einhellige Meinung in der Runde.
Wünsche an die Politik
Die abschließende Frage nach Wünschen der Händler an die Politik beantwortete Wirtschaftsberater Klaus Heinrich deutlich: „Wir brauchen viel weniger Regularien. Auf der einen Seite sollen gesteckte Klimaziele rasch erreicht werden, auf der anderen Seite sorgen diese Regularien für endlose Prozesse. Möchte zum Beispiel ein Autohaus dringend benötigte Ladestationen errichten, zieht sich allein die Bearbeitung der Bauvoranfrage wie ein Kaugummi. Es geht alles noch immer nach dem Buchbinder-Wanninger-System. Einfach ätzend.“
Die E-Mobilität hat also bestimmt ihre Berechtigung – vor allem im Nahverkehr oder bei der neuen Bikes-Generation – auf Dauer gesehen werden wohl andere Alternativen wie Wasserstoff den Energiemix für eine umweltverträgliche Fortbewegung bereichern. Und bis dahin werden wohl auch weiterhin Benziner zugelassen.