Text: Till Ochner Bilder: Scheible Bräu & Spirituosen GmbH
Bis zur damaligen Zeit war Wein bei der Bevölkerung ein gängiges und beliebtes Getränk, wurde aber außerhalb der typischen Weinanbaugebiete immer teurer: Das Wetter verschlechterte sich, das Klima wurde rauer, die Traubenernten fielen immer schlechter aus, und so musste im nördlichen Schwaben, im benachbarten Mittelfranken und auch in Oberfranken der Weinanbau weitestgehend eingestellt werden. Da kam das Bier als günstiges Alltagsgetränk gerade recht.
Blütezeit der Brauerei
In Alerheim, nur wenige Kilometer östlich von Nördlingen gelegen, nutzte nun Caspar Beck die Chance der Zeit und braute jede Menge Bier für den Ort. Mit der Einheirat des Augsburgers Johann Georg Scheible 1824 bekam der Gerstensaft diesen neuen Namen, und es wurde auch in der Biedermeierzeit fleißig weitergebraut fürs eigene Wirtshaus, für den eigenen Bierkeller auf dem nahe gelegenen Wennenberg und überhaupt für die ganze Region. Im letzten Jahrhundert wurde die Brauerei unter Karlheinz Scheible dann systematisch modernisiert, und mit mehreren beliebten Sorten wurde so ein Grundstein für den legendären Ruf des Scheible-Biers gelegt. Als jedoch der wirtschaftliche Druck und die Übermacht der großen Braukonzerne immer größer wurde, beschloss der Brauingenieur, die Braustätte im Jahr 2000 zu schließen – so, wie es viele der kleineren Privatbrauereien in den vergangenen Jahrzehnten machen mussten. Gebraut werden die Scheible-Bierspezialitäten seitdem im Fürstlichen Brauhaus zu Wallerstein.
Nach 380 Jahren war es also Schluss mit dem Braubetrieb in der Ortsmitte von Alerheim, es gab aber doch noch das große Brauereianwesen samt der inzwischen verpachteten Gastwirtschaft und der Arztpraxis vom Sohn Dr. Karl-Friedrich Scheible. Und es gab das Brennrecht von 1621!
Neue Ideen, neue Produkte
„Wir hatten in der Familie schon länger mit dem Gedanken einer Wiederbelebung der Spirituosenherstellung geliebäugelt. Und nachdem meine Mutter 2013 mit ihrem Kräuterlikör ,Kraterfeuer’, einem inzwischen mehrfach prämierten Tröpfchen mit Pfefferminze und Ingwer, wieder erfolgreich in diesen Geschäftszweig einstieg, arbeiteten wir alle zusammen an der Entwicklung von Destillaten aus regionalen Zutaten. Naheliegend war da die Verwendung von Wacholderbeeren, die bei uns im Ries praktisch vor der Haustüre wachsen“, erzählt Karl Scheible. „Die Ahnen sitzen einem mit ihrem Erbe doch im Nacken, zumindest unterschwellig, irgendwie. Dieses Erbe des Brennens wieder anzutreten, ist für mich richtig spannend und macht außerdem Spaß“, ergänzt der Mediziner.
Der Geist der blauen Beeren
Als vor 14 Millionen Jahren ein großer Meteorit ins heutige Ries einschlug und den Krater bildete, entstand das Schmelzgestein ,Suevit’, ein Konglomerat, das zusammen mit dem bestehenden Jura-Kalkgestein beste Voraussetzungen für Wacholder bietet. Wacholder und Alkohol ergibt bekanntlich Gin – das neue Scheible-Produkt stand fest. „Bei einem ersten Einzeldestillat testeten wir den Einsatz von Wacholderbeeren aus dem Mittelmeerraum und Beeren vom Ries. Wider Erwarten war der Gin aus unseren einheimischen Wacholderbeeren wesentlich aromatischer. Damit war der Weg zu unserem Krater-Wacholderschnaps ,Krater Noster’ frei“, berichtet Karl Scheible. Und er erklärt: Seit sechs Jahren geht nun unsere ganze Familie mit einigen Freunden, meist an einem September-Wochenende, zum Ernten der jeweils in drei Jahren gereiften Wacholderbeeren. An dem einen Sammeltag schaffen wir etwa 40 Kilogramm, die uns dann fürs ganze Jahr reichen. Die Beeren werden mehrfach gesiebt, gewaschen, getrocknet, tiefgefroren und zerkleinert. Nach 12 bis 24 Stunden als Maische kommen sie dann in die Brennblase. Dass der fertige Gin, inzwischen vielfach international prämiert, dann exakt 46,9 Prozent Alkohol hat, kommt nicht von ungefähr: Unser Alerheimer Hausberg, der bereits erwähnte Wennenberg mit unserem alten Bierkeller, ist genau 469 Meter hoch. Also keine Schnapsidee, sondern eine kleine Hommage an unsere vierhundertjährige Braufamiliengeschichte.“