Der Archivar der Träume

10. Juni 2020 | People

Hombre SUK

(*6. Oktober 1981 als Pablo Fontagnier) Der gebürtige Mannheimer widmete sich 1995 erstmals der Farbdose und begann zunächst mit dem klassischen Style-Writing, bis er sich schließlich dem Malen von Charakteren verschrieb. Seither arbeitet er sowohl mit der Sprühdose als auch mit Pixeln und Bites, was in dieser Kombination maßgeblich für seinen Stil prägend wurde.

Text: Tibor Baumann Bilder: Hombre SUK

Träume können verführerische, sogar gefährliche Begleiter sein. Oder ein Antrieb, der zum sich selbst speisenden Motor wird. Von der Faszination der Vergänglichkeit, dem Leben mit der Sprühdose und der Unvorhersehbarkeit des Traums: eine Begegnung mit Pablo Fontaigner aka Hombre SUK.

‚Tag‘ bedeutet unter Streetartkünstlern ‚Zeichen’ oder ‚Codename’, entweder unter einem Bild oder als eigene Arbeit. Der Mann, dessen ‚tag’ Hombre zu seinem Namen wurde, lächelt entspannt hinter dunklem Vollbart und goldgerahmten Brillengläsern hervor. „Graffiti ist der Begleiter meiner Arbeit und meines Lebens. Das ist eine Kultur und Menschen die einem viel zu geben haben – das durchströmt mich ganz krass“, erklärt er entspannt. Schiefe Cap, Tattoos, lässiger Stil, der Hip-Hop, die 90er, Erfahrung und ein klarer Blick begleiten ihn als Aura. Wie seine Kunst der Geruch nach Lack und Lösungsmittel.

Hombre ist Streetartkünstler. Seine Arbeit ist Design und gesprühte Malerei und er hat sich über die Jahre einen Ruf erarbeitet. Aber seine Karriere findet auf vielen Ebenen statt. Mit seinem Style designed Hombre für verschiedene Firmen, wie Disney, Casio oder Mustang. Er gestaltet Wände, bedient sich der modernen Medien und tritt als Testimonial und Influencer auf. „Streetart-Künstler sind an vielen Zielgruppen näher dran. Klar, mit einem Ronaldo erreichst du viele Menschen, aber der Streuverlust ist hoch. Natürlich habe ich auch früher klassische Grafik gemacht – aber mittlerweile fragen die Kunden direkt nach meinen Charakterdesigns, das sie dann verarbeiten“ erklärt Hombre.

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Hier steht die Bildunterschrift.

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Hier steht die Bildunterschrift.

Für eine solche Karriere gibt es keinen Fahrplan, vielleicht noch nicht einmal eine Möglichkeit sich diese vorzustellen, um ihr konkret zu folgen. Hombre folgt seinen Träumen und lässt sich ihnen gleichzeitig entgegentreiben. Das wirkt bei ihm so natürlich, wie für andere, einen festen Lebensplan zu haben. „Als ich angefangen habe, mit 16 oder 17, da wollte ich Graffiti machen. Klar hast du da Träume. Aber dass es so werden könnte, das habe ich mir nicht vorstellen können. Nicht mal im Ansatz“ sagt der Künstler. Dabei muss der 37-jährige Wahl-Nürnberger unterschiedliche Welten miteinander vereinen. Erfolgreiche Streetart bedeutet auch zu Reisen, aber da ist eben auf der anderen Seite sein kleiner Sohn, Beziehung, Freunde. „Als Vollzeitkünstler ist man ein Stück weit egoistisch und darauf angewiesen, dass deine Ziele von den Menschen um dich herum mitgetragen werden“, erklärt er. Hombres Arbeiten sind von seinem klaren, ausgearbeiteten Stil geprägt. Starke Charakterdesigns und klare Kante verfolgend, sich dem Moment hingebend und trotzdem präzise. In seinem Stil finden sich die Einflüsse seiner Wegbegleiter und der Zeit wieder, die ihn geprägt hat. In Mannheim geboren, kommt er dort 1995 zum ersten Mal mit Graffiti in Kontakt: „In der 9.Klasse kamen ein paar Jungs aus Frankfurt zu uns in die Klasse, die haben das mitgebracht. Das waren die Jungs mit dem geilen Style. Und ich konnte zeichnen. Da war Teil der coolen Jungs zu werden nur ein Schritt entfernt.“ Es ist eine Faszination der Rebellion, eine eigene Welt abseits der Normen zu erkunden. Eine Kultur, die sich den urbanen Raum erschließt und klar Grenzen überschreiten will.

„Wir haben uns abends getroffen um rauszugehen und die Stadt bunt zu machen – das war illegal und natürlich ein unglaublicher Reiz“ erinnert sich Hombre. Graffiti entzieht sich den Normstrukturen, die auch der bildenden Kunst gegeben wurden. Der museale Gedanke, das Erhalten und das Ewige zur Verfügung stellen. Es ist nicht möglich. „Graffiti ist eine Lebenseinstellung. Es ist wie mit dem Rock ‚n‘ Roll – du kannst zwar Bass spielen, aber wenn du es nicht in dir hast, bis du es einfach nicht, egal wie gut du spielst“, erklärt der Künstler. Die Szene rund um den Globus ist vielseitig. Die vielen Styles und die unterschiedlichen Trends, die mit den verschiedenen Bewegungen von (Pop-)Kultur und Gesellschaft aufkommen, erfinden sich immer wieder neu, nur um Gegenbewegung zu schaffen und sich dann wieder neue Wege suchen zu müssen. „Es gibt in diesem Sinne nicht eine Szene. Die Gründe Graffiti zu machen, sind sehr unterschiedlich. Ob du heimlich Züge bemalen gehst oder Freiflächen gestaltest. Die einen wollen Bilder malen, andere sehen das mehr als Action und Sport. Alles ein Umfeld, aber total unterschiedlich geprägte Menschen.“ Darüber hinaus ist es aber eben auch ein Handwerk mit vielfältigen Techniken, die für die einzelnen Künstler zum Glaubenssatz dazugehören. In der Szene entstehen so natürlich auch Brüche, da jede neue Technik eine Diskussion auslöst. „Für mich persönlich ist das Kunsthandwerk. Aber das sieht jeder anders. Von Tag eins an bin ich ein Sammler – ich bin der Archivar meiner Kultur. Ich spiegel nur wieder, ich sammle und verarbeite“, sagt Hombre.

Das Handwerk entwickelt der Künstler mit seinem Studium an der Akademie der Kommunikation in Mannheim nach der Schulzeit weiter. „Ich war ein klassischer Handarbeiter. Papier, Stift und Dose. Richtig rigoros. Im Studium habe ich dann die ganzen digitalen Möglichkeiten gezeigt bekommen. Das ließ sich für mich gut übertragen und hat meine Arbeit auf jeden Fall bereichert“, erzählt er. Was aber Konsistenz mit einer Arbeit macht, zeigt sich dann im festen Stil, der Spielraum in Nuancen eröffnet. Für die einen mag Hombre in den 90ern und auf seinen Charakterdesigns hängen geblieben sein. Für den anderen Betrachter sind es die Feinheiten, die sich offenbaren. Nach 25 Jahren Erfahrung kann man Experimente wagen, die mit weniger Erfahrung zu großen, vielleicht auch irreversiblen Brüchen führen. Und für die Auftraggeber sind es die Jahre an Erfahrung und der damit aufgebaute Ruf, der interessant ist. Eine Mischung, die sich natürlich herausbilden muss. Darin liegt wohl auch die Besonderheit des Traums, wenn man diesem folgt: „Wenn du die Aschebahn rennst und nicht weißt wo das Ziel ist, bremst du auch nicht ab. Du machst weiter. Manchmal ist ins Blaue schießen eine gute Sache.“ Hombre musste sich immer mit verschiedenen Jobs über Wasser halten, hat mit Designs und Aufträgen an seinem Traum festgehalten. Und hat so das aufgebaut, was man das Fundament für eine Legacy nennen kann. In der Szene, aber auch für sich selbst. „Ich bin zum ersten Mal wegen Graffiti überhaupt geflogen, da war ich 21. Seitdem habe ich nur einen einzigen Flug gezahlt – Graffiti hat mir die Welt gezeigt. Dafür bin ich unglaublich dankbar.“ Diesen Aufbau, diese Art seinem Traum in Arbeit und Leben zu folgen, bedeutet flexibel zu sein, so dass auch besondere Umstände und komplexe Herausforderungen zu einem Teil des Alltags werden. „Durch die Pandemie sind ein paar Sachen weggebrochen. Das ist nicht gut, aber nicht tragisch. Ich bin aber auch nicht von der magischen Fee mit Ideen überschüttet worden. Ich arbeite eben konstant weiter“, sagt Hombre und erklärt weiter: „Ich bin es gewohnt nicht abhängig zu sein und mir das nächste Ding zu suchen, da hat die Situation nicht viel daran verändert. Klar, ich bin da in einer guten Situation – aber ich glaube, dass sich viele aus dem kreativen Bereich mit solchen Situationen besser auskennen, als viele glauben.“ Mit seinem Sohn hat sich der Takt der Reisen, hat sich das wilde Leben natürlich in andere Bahnen gelenkt. Kompromisse, die am Anfang einer solchen Karriere als Ballast gesehen werden, sind jetzt ein neuer Teil seiner Arbeit. Teil der Legacy. Und so hat Hombre zu seinem 25-jährigen Jubiläum ein ganz besonderes Projekt in petto: „Letztes Jahr habe ich gesagt, ich mache ein Buch zum Jubiläum – das hat Erwartungen geschürt. Da hat mein innerer Grinch was zu lachen gehabt“, grinst der Künstler und erzählt weiter: „Ich mache ein Buch dieses Jahr – ein Kinderbuch. Geschichte, Bilder, alles von mir.“ So ist der Archivar am Puls seines eigenen Lebens und bleibt sich treu ohne ein Ziel zu brauchen. Nur die nächsten Momente, um sie in seinen Style zu bannen. Bis sie übermalt werden.

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