Ein kleines hübsches Restaurant, ein paar gute Freunde, ein fremder bissiger Hund. Und mittendrin Alexander Brochiers linker Zeigefinger, der dem Zähne zeigenden Vierbeiner zu nahe kommt, gut verpackt in einem Verband unseren Fotografen ein paar möglicher Covermotive beraubt und Photoshop an seine Grenzen führt. Gemeinsam mit seiner Frau Birsen spricht der frischgebackene Ordensträger des Bundesverdienstkreuzes am Bande über Schauspielkunst, Demut und Krautwickel.
Text: Daniel Wickel Bilder: Grischa Jäger
Es ist 1873, als Paul Brochier Senior ein Sanitärinstallationsgeschäft in Nürnberg eröffnet. In zweiter und dritter Generation überlebt das Familienunternehmen die beiden Weltkriege und wächst stetig. In die Rolle des Familienunternehmers sollte auch Alexander Brochier hineinwachsen, der im Frühjahr 1950 im Nürnberger Norden das Licht der Welt erblickt und in Erlenstegen groß wird. „Überall um mich herum war nur Sand“, lacht Brochier in Erinnerung an seinen gefühlt hundert Meter langen Sandkasten im Osten Nürnbergs. Am Hans-Sachs-Gymnasium macht er sein Abitur, in direkter Laufnähe zwei Mädchenschulen und das Café Kaffeebohne. „Sehr beliebt damals und die Hardcopy von Tinder“, schmunzelt Brochier. In der neunten Klasse darf der sportlich begabte Handballer eine Ehrenrunde drehen, nachdem er zuvor jedes Jahr seinen jeweiligen Sitznachbarn auf dem Gewissen hatte. „Ich hatte den Ruf, sehr lebhaft zu sein und meinen Nebenmann gut ablenken zu können“, erinnert er sich gern an seine Schulzeit zurück.
Wendepunkt Eins
Geprägt vom Gerechtigkeitssinn seiner Mutter und in dem Wissen, einfach Glück zu haben, in eine reiche Familie hineingeboren zu sein, entsteht in ihm der Wunsch als Entwicklungshelfer in Afrika ein Kinderdorf zu errichten. „Mit meinen langen Haaren und meinem leicht verlotterten Kleidungsstil sah ich aus wie ein Ersatzchristus“, grinst der groß gewachsene Brochier, der sich, rückblickend auf die damalige Zeit, als politisch sehr links bezeichnen würde.

Alexander Brochier im Gespräch.

Brochier über Schauspielkunst, Demut und Krautwickel.
Als der junge Student seinem Vater seine Ziele offenbart und auch bereit ist, auf sein Erbe zu verzichten, zeigt dieser ihm die Möglichkeiten und Chancen auf, was er mit einem Familienunternehmen doch alles erreichen könne. „Ich habe gefragt, ob ich mir das nochmal überlegen kann, bin dann nach Innsbruck und habe BWL studiert“, erzählt Brochier, der anschließend 1976, mit mittlerweile kurzgeschorenem Haar, die Geschäftsführung übernimmt.
Wendepunkt Zwei
Einige Jahre später, bei einem Managerseminar in Bad Alexandersbad im Fichtelgebirge, wird er aufgefordert, seine eigene Grabrede zu schreiben – und Brochiers Leben bekommt eine neue Richtung. „Ich musste mir die Frage stellen, was wirklich wichtig ist im Leben. Ich hatte sechs Entwürfe und wurde von Entwurf zu Entwurf immer edler, ohne es zu merken“, fügt er nachdenklich an. Er entscheidet sich dazu, möglichst vielen Menschen Nutzen zu bringen. Nutzen für die Familie, Nutzen für Freunde, Nutzen für die Stadt und die Gesellschaft. Und so gründet er Anfang der Neunzigerjahre, nach dem Verkauf von Unternehmensanteilen, eine Stiftung, ohne vorab darüber nachgedacht zu haben, was dies eigentlich bedeutet. „Ich dachte mir, jetzt baust du dein Kinderdorf. Ein typischer Brochier eben“, lacht der Unternehmer. „Der Sozialmarkt war mir vollkommen unbekannt. Es gibt gute als auch schlechte Organisationen auf dem Markt und das zu erkennen, hat Jahre gedauert“, gibt er zu bedenken. Mittlerweile ist die „Brochier-Stiftung“ führend in ihrem Know-how sowie den Beratungs- und Vernetzungsangeboten.
Wendepunkt Drei
Und wenn er nicht ins elterliche Unternehmen eingestiegen wäre, hätte Alexander Brochier die Leinwand erobern wollen: „Hitchcock, Bond, Die glorreichen Sieben. Ich konnte mich stets in die Rollen hineinversetzen“, erzählt Brochier. Und welche Rolle? „Die des Verrückten oder des Bad Guy“, lacht er. Im Berufsleben hilft ihm die Schauspielkunst, sich als seelisches Chamäleon in sein Gegenüber hineinzuversetzen und sich ihm anpassen zu können. Nur privat verstellen muss er sich nicht. Seine Frau Birsen lernt er im Lorenz in der Nürnberger Innenstadt kennen, lädt sie auf einen Orangensaft ein und schafft es, das Herz der gebürtigen Berlinerin zu erobern. Auf die Frage, wer denn besser kochen könne, erzählt Brochier von seinen berühmten Krautwickeln, die jedoch selbst seine Frau noch nie kosten durfte. Wir freuen uns schon jetzt auf die Einladung zum Essen und lassen sicherheitshalber auch den Bürohund zu Hause.