Zeitungen schreiben über René Borbonus, dass die Menschen an seinen Lippen hängen und er Deutschlands bester Rhetoriker ist. Doch wie sieht die Biografie von jemandem aus, der so weit gekommen ist? Wird man als Redner geboren oder muss man beispielsweise ein besonders extrovertierter Typ sein, um die Zuhörerinnen und Zuhörer in seinen Bann ziehen zu können? Darauf gibt René Borbonus Antworten und erzählt auch, wie Redner – oder die, die es werden wollen – etwas von Cicero, Gandhi und Patrik Kühnen lernen können.
Text: Oliver Dürrbeck Titelbild: Grischa Jäger
Oftmals ist der Weg einer großen Karriere durch besondere Ereignisse vorgezeichnet. Ganz so klar war der Weg für René Borbonus jedoch nicht. „Ich habe weder eine tolle Erfolgsgeschichte, noch – wie es bei anderen Kollegen oft zu sehen ist und was ich auch wirklich sympathisch finde – eine dieser Scheitergeschichten. Dass man eine Situation vor einer Gruppe versemmelt, darunter gelitten und sich herausgekämpft hat. Diese Heldenreise habe ich tatsächlich nicht zu bieten“, erzählt der Experte für Kommunikation. Die Lust auf Sprache und Auseinandersetzung mit Texten und Worten gab es schon immer und der Deutsch-Leistungskurs in der Schule war ebenso gesetzt. Es waren aber immer seine Mentoren, die ihn gezogen und dorthin geführt haben, wo er heute ist. „Es gab, wie das oft so ist, Menschen, die dieses Potential erkannt haben. Jemanden, der beispielsweise recht früh zu mir gesagt hat: Du kannst betonen, du kannst Worten Bedeutung verleihen. Das klingt nicht so, als würdest du einen Text vortragen. Vielmehr klingt das so, als wärst du mit dem Text verbunden. Dank dieser Person stand ich dann bei Oratorien vor vielen Zuhörern“.
Weiterbildung zeigt die Richtung für die Karriere auf
Während seines Studiums der Germanistik, Politik und Psychologie machte sich René Borbonus als Hochzeitsredner einen Namen. Seine Auftritte kamen so gut an, dass es bald mehr als nur ein Hobby wurde. „Und dann – typisch deutsch – habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt dazu legitimiert bin, wo ich doch gar keine Sprecherausbildung habe. Ich fing an, Kurse für Spracherziehung und Rhetorikseminare zu besuchen. Da war es wieder ein Mentor, der gesehen hat, was ich nicht sehen konnte. Ich habe mich als Redenschreiber in der zweiten Reihe wohlgefühlt. Mein Trainer in der Moderatorenausbildung hat mich allerdings in der ersten Reihe, ganz vorn auf der Bühne gesehen, wohin mich die Reise letztendlich auch geführt hat.“ So waren es während seiner Karriere eine Handvoll Personen, die ihm seine Potentiale aufzeigen mussten, bevor er sie ausschöpfen konnte.
Heute sieht er sich nicht mehr primär vor tausenden Leuten. „Um ehrlich zu sein, möchte ich nicht mehr so viel auf Tour gehen. Roadshows habe ich früher ständig gemacht, das steht jetzt nicht mehr im Mittelpunkt. Ich konzentriere mich auf die Arbeit in kleinen Gruppen in meinem Seminarhaus „Lichtung“. In diesem Rahmen kann man viel intensiver miteinander arbeiten. Außerdem melden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ganz bewusst an, machen sich bewusst auf den Weg zu mir, um sich Know-how anzueignen.“
Überall im Seminarhaus „Lichtung“ sind die Gesichter bekannter Rednerinnen und Redner zu entdecken.
Bild: Oliver Dürrbeck
Introvertiert oder extrovertiert, Hauptsache nervös
Es sind ganz unterschiedliche Personen mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, die zu ihm nach Hersbruck kommen, um sich für ihre weitere berufliche Laufbahn rhetorisch fit zu machen. „Wichtig ist mir, meinen Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern, aber auch den Leserinnen und Lesern zu sagen: introvertierte Menschen sind nicht schlechtere Redner. Ich bin sogar inzwischen soweit, dass ich sage, introvertierte Menschen sind potentiell die besseren Redner. Sie wissen das Reden ganz anders zu würdigen, weil sie es viel ernster nehmen. Sie bereiten sich ganz anders vor, weil sie nicht naturgegeben ständig Bühnen haben, wie klassisch extrovertierte Menschen. Diese haben überall ihre Plattformen, sie kommen rein und schaffen sich ihre eigene Bühne, während man den Intros – wie auch mir – die Bühne erst bereiten muss. Haben sie dann aber eine, wollen sie diese auch nutzen und sie ausfüllen.“
Nervös sein sollte man dabei aber übrigens immer. „Viele glauben, sie müssten Nervosität loswerden, da sie hemmt und blockiert – sie ist aber immer Teil des Spiels. Wenn einem also die Rede, wenn einem der Auftritt bedeutsam ist, wenn man etwas erreichen will, wird man auch immer aufgeregt sein. Es ist ganz wichtig, dass die Leute das verstehen: Nervosität ist Teil des Spiels und eigentlich eine Form von Wertschätzung. Das Gegenteil von Nervosität ist nämlich nicht, wie viele denken, Souveränität, sondern das Gegenteil ist Indifferenz. Und gleichgültig sollte einem eine Rede nie sein“, gibt der zweifache Vater zu bedenken.
Cicero, Ghandi und Patrik Kühnen
Im Eingangsbereich des Seminarhauses fällt der Blick direkt auf ein großes Bild von Cicero. Der Philosoph fasziniert Borbonus nicht nur als historische Person. „Er hat Rhetorik sehr ernst genommen. Hat sich viel Weiterbildung verschafft, hat sich an die Spitze der Republik geredet und das zu einer Zeit, in der das nicht als selbstverständlich galt. Ganz im Gegenteil war es zu der Zeit, in der es eigentlich unmöglich war. Cicero hat mit Rhetorik sehr viel erreicht und viel darüber nachgedacht. Seine Erkenntnisse sind auch heute noch elementar. Wer sich mit diesen Erkenntnissen beschäftigt, sie verstanden hat und versucht sie anzuwenden, weiß fast schon alles, was man über Rhetorik wissen muss.“
Darüber hinaus stehen die Stärken der Rednerinnen und Redner im Mittelpunkt. „Ein guter Rhetoriktrainer schaut weniger auf die Schwächen der Mandantinnen und Mandanten, sondern arbeitet hauptsächlich stärkenorientiert. Wenn ich mir die herausragenden Rednerinnen und Redner anschaue, da frage ich mich manchmal ernsthaft: Hätten sie in einem ganz normalen Rhetorik-Seminar ein Zuhause gefunden? Gandhi, zum Beispiel, hätte der Trainer wahrscheinlich nach Hause geschickt und gesagt: keine Körperspannung, mach mal Sport. Aber er hat eine unglaubliche sprachliche Metaphorik. Er konnte Gleichnisse bauen, das war eindringlich. Franz Josef Strauß hatte keine freundliche Mimik, keinen guten Stand, was man wahrscheinlich in so einigen Rhetorik-Seminaren eben alles besprechen würde. Aber er hatte einen Intellekt und eine Argumentationskraft, die in die Tiefe gegangen ist, die selbst seine Gegner irgendwie faszinieren konnte.“
Bei der Frage, welche wichtige Erkenntnis für den nächsten Vortrag beachtet werden sollte, kommt eine Erfahrung des Tennisstars Patrik Kühnen ins Spiel. Im Jahr 1992 hatte er bei einem Vorbereitungsturnier für Wimbledon gegen seinen Konkurrenten Ivan Lendl gewonnen. Kurz darauf stand er Lendl auf dem Center Court in London erneut gegenüber und ist siegessicher in das Erstrundenmatch gegangen – denn was sollte nach der geglückten Generalprobe noch schief gehen? Es kam aber alles anders. Der Klang des Balls war nicht so wie erwartet, die Atmosphäre war ungewohnt und so war der erste Satz nach nur 18 Minuten mit 1:6 verloren. Übertragen auf die Rhetorik und Situationen, die einem im Laufe der Karriere erwarten: „Eine krasse Geschichte, weil sie zeigt, wie wichtig Vorbereitung ist. Wie wichtig es ist, eine sehr klare Struktur zu haben, zu wissen, was einen erwartet und wie man anfängt. Zu Beginn ist die Nervosität immer am größten. Das wissen alle, die beispielsweise eine Führerscheinprüfung gemacht haben. In den ersten drei Minuten zittern die Knie. Wenn man dann aber einmal drin ist, hört das auf. So ist das auch in der Rede. Der Anfang muss sitzen. Der muss nachts um zwei Uhr bei 1,8 Promille blind abrufbar sein. Außerdem ist auch eine ordentliche Struktur extrem wichtig, denn sie ist stressresistent. Es gibt 1.000 Tipps gegen Nervosität, aber ich glaube, die gute Vorbereitung gepaart mit Akzeptanz von Nervosität ist eine ganz gute Voraussetzung für einen erfolgreichen Vortrag.“
Seminarhaus „Lichtung“ in Hersbruck
Das Seminarhaus von René Borbonus befindet sich in einer alten Villa. Die lichtdurchfluteten Räumlichkeiten sind fokusorientiert gestaltet und bieten den perfekten Ort für effizientes Zusammenarbeiten. Jedes Zimmer ist einmalig arrangiert. Während das Waldzimmer mit einer Mooswand überrascht, lässt das China-Zimmer mit Mobiliar aus dunklem Holz die Grandezza des historischen Hauses wiederaufleben. Auf den 750 Quadratmetern finden nicht nur die Workshops des Rhetoriktrainers statt.