Es ist still im brandneuen Restaurant „Die Wirtschaft“ nahe dem Hauptmarkt. Der zweite Lockdown hat Jens Brockerhof, Chef der Unternehmensgruppe „El Paradiso“, ausgebremst. „Es waren zwei wunderbare Wochen hier“, sagt der 35-Jährige mit fester Stimme. Mitte Oktober eröffnete der Nürnberger Gastronom sein neuestes Glanzstück in der Industrie- und Handelskammer mit Blick auf den berühmten „Schönen Brunnen“ und fränkischer Küche. Der Laden lief – wie alle seine Lokalitäten: das Zwei-Sterne-Restaurant „Sosein“ in Heroldsberg, die Patisserie „Tafelzier“ und sein Cateringservice „El Paradiso“, mit dem seine Erfolgsgeschichte vor 15 Jahren begann.
Text: Katja Jäkel
Das Tennisspielen war Schuld. „Die Saiten meines Schlägers sind schnell gerissen“, sagt er grinsend. Das ständige Nachkaufen wurde seinen Eltern bald zu teuer und der Bub musste Geld dazuverdienen. Seine Schwester Nadine, heute Personalchefin im Unternehmen, verschaffte dem kleinen Bruder einen Job als Spüler im „Chong‘s Diner“. Bald darauf schnippelte er Salate, belegte Burger und fing Feuer. Obwohl ihn sein damaliger Chef mit drastischen Worten von einer Kochlehre abhalten wollte: Gastronomie bedeute kein Geld, keine Frau, keine Kinder, immer arbeiten, wenn andere frei haben.
Doch Brockerhof blieb stur, eine Eigenschaft, der er bis heute viel verdankt. Er begann im „Bammes“ in Buch seine Lehre zum Koch, wechselte schließlich ins „Freihardt“ nach Heroldsberg. Über die Berufsschule kam er für drei Wochen nach Paris. Seine Initialzündung, sagt er. Dort lernte er den Nürnberger Koch-Azubi Johannes Müller kennen und verstand, was Patisserie eigentlich bedeutet. „Seitdem liebe ich Paris, die Sprache, Südfrankreich, das französische Verständnis für Gastronomie.“ Die Pariser Patisserie von Pierre Hermé war sein Ziel: „Ich habe gedacht, ich falle vom Glauben ab. Diese ganze Pracht aus Macarons, Tartes, Eclaires, Croissants. Das ist Kunst! Wahre Handwerkskunst!“, schwärmt er. Für 120 Euro, seinem damaligen Lehrlingsgehalt, kaufte er sich eine ganze Tüte voller Köstlichkeiten. Und aß alles auf. „Danach war mir speiübel, aber ich wusste, ich will die Patisserie nach Deutschland bringen.“ Also hängte der Koch noch eine Konditorlehre dran. Und hob nebenbei mit Johannes Müller, der bis 2017 im Unternehmen war, das„El Paradiso“ aus der Taufe – exklusives Catering mit dem Schwerpunkt Patisserie. „Unsere erste Produktionsstätte war die Küche meiner Eltern“ Permanent haben die damals 18-Jährigen gebacken, ausgeliefert, in fremden Wohnungen feine Menüs zubereitet und immer größere Veranstaltungen gecatert. Mit durchschlagendem Erfolg: 2009 zog „El Paradiso“ ins Ofenwerk.
Jens Brockerhof ist ein kulinarischer Tausendsassa. Er ist Konditormeister, Koch, Patissier. „Handwerksberufe, die viel mit Emotionen zu tun haben“, sagt er. Zwei Herzen schlagen in seiner Brust: Das des Genuss-Handwerkers und das des Unternehmers, welches rastlos schlägt. Viele seiner Freunde halten ihn für verrückt, weil er immer wieder Neues anpackt. „Aber genau das treibt mich an! Der Wandel!“.
Ein auf und ab
Sein nächstes Großprojekt soll mit fast einem Jahr Verzögerung im Frühjahr 2021 eröffnet werden: Die „Brasserie Nitz“ und das Café “Pique Nicque“, in denen die französische Bistro-Küche im Mittelpunkt steht, sowie eine Art Wohnzimmer-Cheftable, an dem der Sterne-Koch René Stein Gäste beglückt. Ein Herzens-Projekt, das er zusammen mit Unternehmer Omar Schmelzer betreiben wird. Und das im früheren Augustinerhof mit dem Zukunftsmuseum und dem Hotel Karl August beheimatet ist.
„Essen geht immer“, sagt Brockerhof. Corona hin oder her. „Die Gastronomie wird es weiterhin geben.“ Aber: „Corona macht natürlich etwas mit dir, das sagen alle. Auf einmal hast du Zeit und musst dich mit dir beschäftigen“, sagt der Unternehmer nachdenklich. Ein emotionales Auf und Ab. An seinen Wertvorstellungen hat dies nichts geändert: Qualität, Handwerk, Ehrlichkeit gehören dazu. Und Verlässlichkeit. 2020 ist noch Sicherheit hinzugekommen – vor Corona sei er risikobereiter gewesen.
Nachhaltigkeit und Respekt
Ruhe und Verständnis findet der Unternehmer zu Hause bei seiner Frau Natalia und seinen beiden Töchtern. „Meine Familie muss durch Corona auch viel aushalten, ich kann ja die Sorgen nicht abschütteln, wenn ich nach Hause komme.“ Brockerhof kennt seine Frau über 30 Jahre. „Seit dem Kindergarten. Sie wusste, auf was sie sich einlässt“, sagt er lächelnd. Zu Hause kocht er gern für die Familie. Immer mit Musik. „Das ist für mich so entspannend, wie für andere Yoga“. Und die ältere Tochter steht mit am Herd. „Sie will später Chefköchin werden“, sagt der stolze Vater.
Caterer wollte Brockerhof eigentlich nie werden – zu viel Organisation, zu wenig Kochen. Doch der Erfolg von „El Paradiso“ ermöglichte es ihm, seinen anderen großen Traum umzusetzen: Ein gehobenes Restaurant. 2015 startete das „Sosein“ in Heroldsberg mit Küchenchef Felix Schneider. Nach fünf Jahren zieren das Lokal zwei Michelin-Sterne und etliche andere Auszeichnungen. Das „Sosein“ wurde zu einem Vorreiter in Sachen radikal-regionaler und saisonaler Küche und überregional berühmt. Nachhaltigkeit und großer Respekt vor den Produkten gehören zum „Sosein“ wie die Tomaten einer fast vergessenen alten Sorte aus Schneiders Garten.
Seinen Pariser Patisserie-Traum erfüllte sich Jens Brockerhof dann 2017 mit dem „Tafelzier“ in der Weintraubengasse, das „Der Feinschmecker“ 2018 zum besten Café Bayerns kürte. Das El Dorado an süßem (Kunst)Handwerk gehe tatsächlich gestärkt aus der Corona-Krise hervor: „Ich glaube, die Leute tun sich gerade gerne etwas Gutes“. Denn das fehle eben: Die schönen Auszeiten, das Ausgehen, die Kultur.
Die Tafelzier Patisserie steht für traditionelle, französische Handwerkskunst – zeitgemäß interpretiert.
Bild: TOC.Designstudio
Marken mit Geschichten
Das „Tafelzier“ ist, wie auch das „Sosein“, bereits zu einer Marke geworden, die eine Geschichte erzählt. Entwickelt hat Brockerhof seine Geschichten mit dem Nürnberger Toc Designstudio. „Ich liebe es, ganz in eine neue Idee einzutauchen“, sagt er. Aber, egal, ob Toc Design oder seine Küchenchefs und Mitstreiter: „Ohne mein Team wäre die erfolgreiche Umsetzung der verschiedenen Gastronomien aber niemals möglich!“
Trotz Corona sieht Jens Brockerhof die Zukunft positiv: „Es gibt nicht den Masterplan oder die To-Do-Liste. Ein paar Träume konnte ich schon verwirklichen.“ Im Hinterkopf stecke so manche Idee, „aber ich bin ja erst 35, ich habe noch einige Jahre vor mir“, sagt er lachend. „Schauen wir, was die Zeit bringt. In diesem verrückten Jahr wurde eines klar: Man kann so viel planen, wie man will, es kann ganz anders kommen.“