Beim Eintreten des Cafés am Kreuzgang steigt dem Besucher der Duft von frischem Kaffee und ein Hauch von Mandelaromen und Schokolade in die Nase. Der Blick wandert durch das schmucke Traditionscafé, direkt am Marktplatz der mittelalterlichen Stadt Feuchtwangen gelegen. Christiane Karg, Opern- und Konzertsängerin und künstlerische Leiterin des KunstKlang-Festivals, wartet bereits freudestrahlend im Kaffeehaus.
Text: Daniel Wickel Bilder: Oliver Dürrbeck
Der Kreuzgang ist der Überrest eines benediktinischen Klosters, das im neunten Jahrhundert das erste Mal Erwähnung in den Geschichtsbüchern fand. Nach der Auflösung des Klosters diente es als Brothaus und Zuckerbäckerei der Stadt und ist seit 60 Jahren Heimat einer Konditorei. „Dort oben ist mein Kinderzimmerfenster“, erzählt Christiane Karg beim Blick in die ersten Etagen des imposanten Gebäudes. Hier im Klostergarten vor den Arkaden des romanischen Kreuzgangs nahm die Karriere ihren Anfang. „Für mich gab es nur den Wunsch, Opernsängerin zu werden“, lacht die Sängerin, die als kleines Mädchen an ihrem Fenster den Theaterstücken der Kreuzgangspiele zusah und lauschte. „Ich war fünf Jahre alt, konnte noch nicht lesen und war somit eigentlich zu klein für den Chor“, erinnert sich Christiane. Daher lernte sie die Texte auswendig, um mitsingen zu können.
Ein Vielzahl an Auszeichnungen
Sie wuchs in den 80ern als älteste von drei Töchtern auf, hatte früh Klavier- und Flötenunterricht und gewann schon in jungen Jahren mehrfach den bayerischen Preis für Gesang und den Bundespreis bei „Jugend musiziert“. Nach ihrem Gesangstudium am Mozarteum in Salzburg und zig Meisterkursen bei den besten ihrer Zunft häuften sich die Auszeichnungen bei der Künstlerin. „Es ist schwer da hochzukommen, aber es ist weitaus schwerer da oben zu bleiben“, erzählt die 42-jährige Sopranistin. „Mein ganzes Leben hat sich schon in jungen Jahren darauf fokussiert, alles hat sich darum geschart. Als kleines Mädchen verstehst du das aber natürlich noch nicht und bist unbeschwert.“ Und so lernte sie schon mit zehn Jahren Italienisch, weil sie es spannend fand eine Sprache zu lernen und war für die ganze Familie im Urlaub die Dolmetscherin. Ihre Schwester Michaela wurde Konditormeisterin, gewann den Wettbewerb „German Chocolate Master“ und betreibt seit 2015 das Café am Kreuzgang, nachdem sie bei mehreren Stationen in Deutschland das Handwerk erlernt hatte. Auch Christiane ist wieder zurückgekehrt in ihre Heimat „Ich habe lange Jahre in Hamburg, Frankfurt und Berlin gelebt, aber die Provinz wieder für mich entdeckt. Die Lebensqualität hier ist unglaublich hoch und ich hoffe, dass wieder vermehrt junge Leute sich in diesem schönen Ort auf dem Land ansiedeln“, bricht sie eine Lanze für die Stadt im Landkreis Ansbach. Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern fand sie wieder ein Zuhause „Mit den Kindern bin ich lockerer geworden im Beruf. Du hast immer jemanden auf deiner Seite, auch wenn du mal einen schlechten Tag auf der Bühne hattest. Meine Familie ist meine Konstante“, strahlt sie.
Elite der klassischen Musik
Zu Beginn der Pandemie spürte die Künstlerin eine große Angst und erlebte Enttäuschungen. „Du landest von einem Moment auf den anderen auf dem Abstellgleis. Plötzlich waren wir nicht mehr systemrelevant und viele meiner Kolleginnen und Kollegen fühlten sich als Kulturschaffende nicht mehr wichtig in der Gesellschaft“, erzählt sie. Sie hätte sich mehr Dialog gewünscht. Schon seit 2014 finden renommierte Musikerinnen und Musiker aus aller Welt Einklang beim KunstKlang in Feuchtwangen: die Elite der klassischen Musik, in all ihren Facetten, die an verschiedenen Orten in der Stadt vier Konzerte im Jahr gibt. In dieser Spielzeit stehen neben einem Weihnachtskonzert in der Stiftskirche am Valentinstag Werke von Debussy und Strauss und Ende März Renaissance-Musik in der Stadthalle Kasten auf dem Programm, bis dann im kommenden Sommer das große Abschlusskonzert im Kreuzgang Johannes Brahms huldigt. Christiane Karg möchte der Region ein Gesicht geben, ihren Bildungsauftrag erfüllen und die Stadt kulturell vereinen. „Die Pandemie hat dazu geführt, dass du spontaner agieren musst und dich als Künstlerin völlig neu erfindest. Kunst wird nie wirklich schwarze Zahlen schreiben und ständig musst du dich rechtfertigen, warum Kunst überhaupt sein darf“, mahnt die Sängerin. „Es lohnt sich in die Kunst zu investieren, weil du über Umwege alles doppelt und dreifach zurückbekommst“, erklärt sie den wichtigen Bildungsauftrag der Kunst. Sie ist dankbar über die Unterstützung der zahlreichen Partner des Musikfestivals, das sie künstlerisch leitet.
Neue wege gehen
Aktuell kehrte sie gerade wieder zurück aus Paris, wo sie an der Opéra Bastille der Prinzessin Pamina in der Zauberflöte ihre Stimme leiht. „Du könntest eigentlich viele junge Menschen locken mit der Oper, die meist wirklich hochmodern inszeniert und cool ist, aber der Begriff Oper hat so etwas altbackenes und elitäres anhaften“, erläutert sie das Imageproblem dieser Musikgattung. „Ein besserer Begriff ist eigentlich Musiktheater. Wir sind allesamt Schauspielerinnen und Schauspieler mit der Komponente Musik.“ Ähnlich wie in einem Musical, jedoch mit dem feinen Unterschied, dass die Stimme nicht von einem Mikrofon verstärkt wird. Während der digitalen Streaming-Alternativen in den Phasen des Lockdowns ging auch die Sopranistin neue Wege und sang ohne Publikum Arien bekannter klassischer Werke, um ihre Fans zu erreichen. „Natürlich hat Streaming uns ein bisschen gerettet zu der Zeit. Aber du kannst auf Pause drücken, im Jogginganzug im Wohnzimmer dir noch ein Getränk holen und dich wieder einklicken, wann du möchtest“, erzählt sie. „Es ersetzt aber in keiner Weise das Liveerlebnis. In einem Konzert ist das Publikum gezwungen, sich darauf einzulassen und kann sich dabei in eine andere Welt entführen lassen und sich auf eine ganz andere Ebene begeben.“ Die Sängerin gibt dieses Jahr noch drei Konzerte mit Liedern zur Weihnacht. Zum Jahresabschluss spielt sie zwei Konzerte mit Beethovens neunter Sinfonie im Gewandhaus Leipzig und entführt die Zuhörerinnen und Zuhörer mit allen Sinnen in ganz eigene Welten.