Kamera, Kind, Karaoke

14. September 2021 | People

Es ist Mitte August. Der Himmel über der Lothar-von-Faber-Schule in Nürnberg ist mit Wolken verhangen. Wir warten darauf, dass Vanessa Meisinger für unser Interview an ihre alte Fachoberschule zurückkehrt und wir mit ihr einen Blick in die Vergangenheit und wie alles beginnt wagen können. Mit schnellen Schritten biegt sie in den Schulhof ein und trifft uns vor dem Schulgebäude. „Man nennt mich auch Vergessa“, lacht sie, hat sie doch auf dem Weg zum Interview glatt die Autobahnausfahrt verbummelt. Die Chemie ist sofort da. Vanessa gewinnt 2009 im zarten Alter von 18 Jahren die deutschlandweit bekannte Castingshow „Popstars“. Seit 2013 gehört sie zum festen Moderatoren-Team von SUPER RTL. Für „Galileo“ war sie als Reporterin weltweit unterwegs und 2019 moderierte Sie bei RTL und TVNOW das Reality-Format „Paradise Hotel“.

Interview: Magdalena Kick und Daniel Wickel Bilder: Grischa Jäger

Alles beginnt mit einer Karaoke-Gruppe in der Grundschule. Die damals noch schüchterne Vanessa entdeckt ihr Talent und findet Gefallen daran, Menschen zu unterhalten. Immer wieder überwindet sie sich und springt über ihren eigenen Schatten. „Das Gefühl danach ist unbeschreiblich.“ So nimmt alles seinen Lauf. Bereits als 12-jähriges Mädchen setzt sie sich das Ziel, Sängerin zu werden. 2008 bewirbt sich die damals 16-jährige erstmalig bei „Popstars“ und steigt im Recall aus. Im darauffolgenden Jahr kämpft sie erneut um einen Platz in der Show und kehrt als Siegerin zurück. „Meine Mutter hat mich nicht wiedererkannt und geweint. Ich war ein anderer Mensch. Popstars hat mich extrem geprägt. Ich musste mich weiterentwickeln und in kürzester Zeit erwachsen werden.“ Nach dem Sieg verlässt sie ihr Elternhaus. Nimmt sich, zusammen mit ihrem Bruder, eine kleine Wohnung und ist plötzlich selbständig. „Ich wollte alles allein machen und keine Unterstützung mehr.“ Die Wohngemeinschaft mit ihrem älteren Bruder funktioniert nur kurze Zeit. „Immer wenn die Pizzeria, in der ich auch nebenbei gearbeitet habe, unter uns um 23:00 Uhr dicht gemacht hat, war unser Wohnzimmer mit seinen Kumpels voll, und der Putzplan hat auch nicht wirklich funktioniert“, schmunzelt Vanessa, die gebürtig aus dem beschaulichen Lauf kommt. 

Die junge Moderatorin zieht nach Nürnberg und widmet sich weiter ihrer Moderationskarriere, die mit selbst hochgeladenen Videos auf YouTube beginnt. „Ich habe damals eine Fashion-Show moderiert, und YouTube war noch nicht so groß wie heute.“ Der Sender SUPER RTL wird auf die Kurzvideos im Netz aufmerksam und nimmt Vanessa unter Vertrag. Seit 2013 moderiert sie unter anderem die Kindersendung „WOW – die Entdeckerzone“ und löst ihre Vorgängerin Nina Moghaddam beim Kinder- und Jugendsender ab. „Ich liebe meinen Job und bin in der glücklichen Lage, das tun zu können, wofür ich brenne und was mich pusht. Selbstverwirklichung ist für mich extrem wichtig. Ich könnte nie jeden Tag das Gleiche machen und brauche die Abwechslung.“

Die 30-jährige ist gut rumgekommen und weltweit für verschiedene Jobs in großen Metropolen unterwegs. Privat hat es sie wieder aufs Land gezogen. „Mein Privatleben ist mir sehr wichtig.“ Heute ist sie Mutter einer kleinen Tochter. Vor gut einem Jahr, mitten in der Corona-Pandemie, kommt ihre Kleine zur Welt. „Corona hat mir gewissermaßen in die Karten gespielt“, Jobs, die rund um den Geburtstermin hätten stattfinden sollen, wurden pandemiebedingt abgesagt oder verschoben. So kann sich Vanessa voll und ganz in ihre neue Rolle finden. „Dass die Geburt meiner Tochter Veränderungen in meinem täglichen Business mit sich bringt, war mir von Anfang an klar, aber für mich stand immer fest, bis 30 will ich unbedingt Mama werden.“ Getreu dem Motto „Irgendwie funktioniert es immer und man findet seinen Weg“, begegnet die junge Mutter Herausforderungen in jeder Hinsicht. Mit einem eigenen Kind verschieben sich die Prioritäten. „Früher stand ich vor meinem Schrank und dachte, ich habe nichts Anzuziehen. Heute weiß ich, es gibt einfach wichtigere Dinge im Leben.“

Kamera, Kind, Karaoke
Kamera, Kind, Karaoke
Die Herausforderung Kind und Business meistert sie auch dank der tatkräftigen Unterstützung ihres Mannes und ihrer Eltern. „Glücklicherweise bin ich in meiner Branche auf sehr viel Verständnis und auch Unterstützung gestoßen. Ohne die Hilfe meines Mannes und meiner Eltern, wäre jedoch vieles nicht möglich.“ So beantragt auch Vanessas Mann zu Beginn Elternzeit und begleitet seine Frau zu Moderationsjobs auch in andere Städte. Dass die Kleine ein harmonisches Baby ist, dürfte mit Sicherheit auch an der Gelassenheit ihrer Eltern liegen. „Zum Glück ist unsere Kleine sehr entspannt, das macht natürlich vieles einfacher. Das ist mir auf jeden Fall bewusst.“
 
Aktuell ist Vanessa stolze Botschafterin der „Stiftung Lesen“ und unterstützt mit Herzblut die Kampagne. Für die Fränkin ist es eine Herzensangelegenheit, den Kids da draußen zu zeigen, wie schön und vor allem wichtig es ist, regelmäßig zu lesen. Neue Welten erkunden, abschalten, oder den eigenen Horizont erweitern, das ist für Vanessa Lesen. Auch ihrer Tochter liest sie jeden Abend vor, und so kommen die heißgeliebten Bücher aus ihrer eigenen Kindheit wieder zum Vorschein. Aktuell steht der Regenbogenfisch ganz oben auf der Favoritenliste.
 
Das Interview vergeht wie im Flug. Vanessa zieht die Tür ihres alten Klassenzimmers hinter sich zu und geht in Richtung Haupteingang. Sie läuft noch einmal den Flur der Lothar-von-Faber Schule entlang, den Flur in jener Schule, in der ihr Lieblingsfach seinerzeit Chemie war, oder wie ihre Mutter stets sagte, „Schemie“.

Weitere Beiträge lesen

„Musik verbindet uns“ – Im Interview mit Roland Böer

„Musik verbindet uns“ – Im Interview mit Roland Böer

Schon als Kind waren Opernbesuche mit der musikalisch interessierten Familie für ihn selbstverständlich. Mit etwa zehn Jahren war er das erste Mal im „Parsifal”,
fand es wirr und wahnsinnig – und einfach toll. Das hat ihn geprägt. Auch heute ist für ihn der entscheidende Ansatz: Wie nimmt jemand ein Werk wahr, wenn er es das erste Mal in seinem Leben sieht und hört, egal ob Kind oder Erwachsener.

Freundschaft, Kunst und  Wahnsinn

Freundschaft, Kunst und Wahnsinn

Im Gespräch mit Matthias Egersdörfer und Lothar Gröschel

Die fränkische Boy Band „Fast zu Fürth“ hat eine lange, bewegte Geschichte. Die Anfänge liegen in den 90er Jahren. Wir haben uns mit den beiden Gründern Matthias Egersdörfer und Lothar Gröschel getroffen, um über ihr gemeinsam verfasstes Buch zu plaudern.

Im Interview mit Richard Hofmann von add-on und co-check

Im Interview mit Richard Hofmann von add-on und co-check

2007 hat Richard Hofmann das Unternehmen „add-on Personal und Lösungen“ gegründet. Zunächst als klassisches Zeitarbeitsunternehmen. 2010 kam das zweite Unternehmen co-check dazu. Die Idee hinter dem Joint Venture war, produzierende Unternehmen kurzfristig für die Qualitätsprüfung und -sicherung von neuen Fertigungsstrecken mit Personal auszurüsten. Zu dem Zweck war co-check bereits von Anbeginn in die Planung involviert und hat frühzeitig auch dafür gesorgt, dass das Personal durch Weiterbildung schnell geschult und verfügbar ist.