Er wird in diesem Sommer 65, und so konnte er auch seine 40 Jahre Bühnenpräsenz mit 30 eigenen Bühnenprogrammen locker erreichen: Bernd Regenauer, das fränkische Kabarett-Urgestein, einer der wenigen Sterne am fränkischen Mundart-Himmel. Ausgezeichnet unter anderem mit dem Deutschen Kabarettpreis und zeitweise auf wirklich allen Kanälen wie Theater, Musik, Bücher, Kleinkunst, Rundfunk, TV und Kinofilme.
Text: Till Ochner Bilder: Grischa Jäger
Ciao Antonio, ich hab ein neues Rezept für Dich ausprobiert: Spaghetti mit Fenchelsalami. Echt ein Gedicht! Muss ich Dir mal kochen und mitbringen“ – so klingt Bernd Regenauers Begrüßung. Wir treffen Bernd nämlich bei seinem Lieblings-Italiener in der „Padelle d‘ Italia“ in der Theatergasse, mitten in der Lorenzer Altstadt. Hier verwöhnen zwei engagierte Wirte die Gaumen ihrer Gäste – soweit es die Corona-Auflagen eben zulassen. Der bereits erwähnte Sizilianer Antonio Lo Po und der Süditaliener Donato Albano aus der Basilikata sind mit ihrem Team in der Küche eifrig am Werkeln, wo die Töpfe, Pfannen („Padelle“) und Teller nur so scheppern. Italienische Spezialitäten, und zwar nicht nur Pizzen, gehen offensichtlich zurzeit bestens to go und werden am Eingang unablässig abgeholt.
„Und warum ist das hier nun dein Lieblings-Italiener?“, wollen wir von Bernd wissen. „Ganz einfach. Die bieten hier eine absolut authentische Küche, die mir immer schmeckt. Sie schenken keinen Wein aus, der von der Mafia geliefert wird. Und ich kann sehr schnell fußläufig von daheim herkommen und genauso einfach nach Hause zurückkehren.“ Bernd Regenauer wohnt seit einiger Zeit nur zwei Steinwürfe entfernt, einfach wieder den Berg runter Richtung Pegnitz, dort, wo er aufgewachsen ist.
Du musst es spüren
Es war für Bernd eine meist schwierige Kindheit. Seine Eltern führten eines der größten Weinrestaurants der Stadt und hatten für private Belange wenig Zeit. „Mein Vater war 54 Jahre älter als ich. Er war ein Patriarch und verlangte gnadenlos immer mehr von mir. Nichts war gut genug, Anerkennung gab’s nur äußerst selten.
Als Folge bekam ich Minderwertigkeitskomplexe, wurde in der Schule immer schlechter. Habe dort jede Menge Unfug gemacht, der in den Augen der Pädagogen nicht lustig war. Ich hielt am Gymnasium den Schulstrafenrekord und musste zwei Mal die Schule wechseln. Nein, Klassenclown war ich nie, eher wurde ich zu einem tragischen Clown und versuchte damit, die häusliche Geringschätzung und Nichtbeachtung zu kompensieren.“ Oftmals war es für ihn eine Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung.
Es ist ein sehr ehrlicher Bernd Regenauer in seiner legeren Vintage-Lederjacke, der so über seine Ups & Downs berichtet: „Eine gewisse Rettung bedeutete für mich meine Clique, die ich suchte, um endlich auch geliebt zu werden. Noch mehr Hilfe leistete der Alpenverein, dem ich aktiv beitrat. Dort konnte ich vieles Negative kompensieren und Positives erleben. Der Verein war für mich die strukturierende Achse und eine soziale Schule.“ So richtig vorwärts ging es mit dem jungen Bernd, als er seinen ersten Weg in der Musik gefunden hatte, als Liedermacher am Klavier beim Nürnberger Bardentreffen vor genau 40 Jahren. In den folgenden Jahren als Solokünstler sowie als Bühnenpartner mit anderen Musikern zog es Regenauer dann aber immer stärker zum satirischen Wort hin als zu Melodien. „Du musst es spüren.“
„Naheliegend war es für mich, in meinem Dialekt zu schreiben. So entstanden unter anderem die Produktionen ‚Metzgerei Boggensagg‘ („Wou issn is Hirn?“), die fränkische Kultfigur ‚Harald Nützel‘ oder der Leitfaden ‚Fränkisch für Anfänger‘. Besonders reizvoll war aber das Schreiben für prominente Kollegen, die für mich Vorbilder waren. So wollte ich unbedingt zur ‚Lach- & Schießgesellschaft‘ in München. Bei einem Vorspielen in dem Kult-Kabarett erlebte mich zufällig Dieter Hildebrandt. Schließlich konnte ich für die Lach & Schieß schreiben, für den ‚Scheibenwischer‘ texten und dort sogar selbst live im TV auftreten. Wertvoll waren ebenso die Kontakte zu Konstantin Wecker, Werner Schneider und Hans Dieter Hüsch. Ich erlebte echt wärmende Zeiten.“
Dass Kabarett eine ganz besondere Wertigkeit für ihn bedeutet, eine herausfordernde und spannende Qualität, hat Regenauer sehr bald erfahren. „Meine Eltern waren sehr politische Menschen. Schon in jungen Jahren durfte ich Kabarett-Sendungen im Fernsehen mit anschauen. Zum Beispiel die Silvester-Sendung ‚Schimpf vor 12‘, den satirischen Jahresrückblick mit der Lach- & Schießgesellschaft. Natürlich konnte ich damals noch nicht alles verstehen – ich verstand aber, dass politisches Kabarett etwas Besonderes ist“, erzählt Bernd mit einem gewissen Funkeln in den Augen.
Diese Begeisterung hat ihn auch nie verlassen, ganz gleich, ob er auf Kleinkunstbühnen oder großen Theaterbühnen stand, beim Rundfunk oder in TV-Studios arbeitete, Bücher daheim am Schreibtisch verfasste oder auf Tour zu Lesungen war. „Glücklicherweise bin ich nicht bühnenabhängig. Auf der Bühne bist du nie privat. In meiner Arbeit habe ich mich immer als Dienstleister gefühlt. Das bewahrte mich vor Größenwahn und überzogener Eitelkeit. Ich halte es für wichtig, auch über die Jahrzehnte hinweg stets ein gesundes Maß an Dankbarkeit und Demut dem Publikum gegenüber zu bewahren.“
Jung und neugierig bleiben
Dieser Kulturbetrieb läuft wegen der Pandemie allerdings schon seit über einem Jahr nur auf Sparflamme. Für große Teile der gesamten Branche ging das Licht nicht nur sprichwörtlich ganz aus. Es ist kein Geheimnis, dass viele Künstler, Schauspieler und Musiker, die ganzen Bühnenarbeiter und die die technischen Crews seit dem Kultur-Lockdown keine Arbeit, keine Aufträge, keine Auftritte haben. „Zum Glück bin ich im Moment in der Lage, einige meiner Mitstreiter unterstützend ein klein wenig helfen zu können, was ich wirklich gerne mache. Mir geht es zurzeit noch gut, ich hab zu tun – dazu nachher mehr. Aber ich denke auch mit Schrecken an die jungen Menschen in den Startlöchern, die gnadenlos in ihrem Job ausgebremst wurden. Auf der anderen Seite zeigt diese Zwangspause – vor allem den alten Schlachtrössern wie mir – auch überdeutlich, in welche Druckmühle man bei unserem Job geraten kann. Man ist als Freiberufler sich selbst gegenüber rücksichtslos, überfordert sich ständig.“, meint Regenauer nachdenklich.
„Gerade wer wie ich gleichzeitig auf mehreren Hochzeiten tanzt, macht sich schnell fertig. 2019 hat es mich dann komplett zerlegt, als ich den Tod meiner Mutter verarbeiten musste und gleichzeitig eine Premiere anstand. Ich geriet in ein Burnout und musste sofort eine Pause einlegen. Die gute Erfahrung: alle Veranstalter hatten Verständnis. Das fand ich großartig. Als ich dann im Januar im letzten Jahr nach der nötigen Verschnaufpause wieder durchstarten wollte, kam kurz darauf das Corona-Aus“, schildert der Vorzeige-Franke, der 1956 ja eigentlich in München das Licht der Welt erblickt hat, aber noch als Baby in die Frankenmetropole kam.
Für seine persönliche Zukunft im ‚Rentneralter‘ hofft Regenauer, geistig jung zu bleiben, immer neugierig zu bleiben, offen zu bleiben und nie gleichgültig zu werden. „Ich habe zu mir gefunden und das ist viel wert“.
Zum Abschluss unseres Gesprächs im sonst Corona-leeren italienischen Restaurant fragen wir bei dem sportlich-schlanken und energiegeladenen Bernd nach, was er denn zurzeit zu tun habe. Und schon funkeln wieder die Augen voll Begeisterung: „Zusammen mit Co-Autor Christian Schidlowsky arbeite ich an einem großen Projekt. Es wird die ‚Erste fränkische Bieroper‘, ein musiksatirisches Werk in fünf Akten mit den Nürnberger Symphonikern im Stadttheater Fürth. Seit wenigen Wochen steht die Besetzung fest, Premiere ist im Mai 2022. Und ich freue mich tierisch darauf!“